Früher, als ich ein bisschen mehr Geld
hatte, und nicht arm wie eine Kirchenmaus war – wie man so sagt, kaufte
ich stets neue Bücher und keine gebrauchten. Oftmals las ich diese
Bücher dann gar nicht. Sie kamen in irgendwelche Kisten, weil ich kein
Bücherregal hatte. Home is where the books are. Dann kaufte ich
gebrauchte Bücher. Ich kaufte sie gebraucht in Läden oder online und
ich kaufte sehr viele. Heute kaufe ich meist gebrauchte Bücher und keine
neuen, aber viel seltenener. Es ist ja kein Geld da. Fast nie ist Geld.
Heute las ich über eine US-amerikanische
dunkelhäutige Frau, die Trump-Supporterin ist. Sie begründete ihre
Unterstützung für Trump damit, dass illegale Immigranten den armen
“African Americans“ die Arbeitsplätze im Niedrig-Lohn-Sektor wegnehmen
und sie deshalb Trump unterstützt, der sich gegen illegale Immigration
in die USA einsetzen möchte. Jemand schrieb einen Kommentar. So etwas
wie: “Dann sollen die African Americans, die schon hier sind, fleißiger
arbeiten und gutbezahlte Jobs bekommen.“ Das ist natürlich einfach
gesagt. Erstens Mal ist es in der Regel schwerer einen gutbezahlten Job
als African American zu bekommen, wenn man aus dem “Ghetto“ kommt. Der
falsche Name und die falsche Adresse und schon haben Arbeitgeber
Vorurteile. Nicht jeder kommt aus einer Mittelklasse- oder
Oberschichts-Familie. Manche haben es schwerer. Desweiteren ist es doch
so, dass Kinder armer Eltern in jedem Land benachteiligt werden und
Bildung kostet Geld und viele Kinder brauchen auch Unterstützung durch
die Eltern, die sie als Kinder armer Eltern so nicht bekommen. Die
Kinder reicher Eltern – oder zumindest da, wo genug Geld da ist-
bekommen Nachhilfe-Unterricht und werden gefördert. Da ist die
Erwartungshaltung auch eine ganz andere. “Natürlich gehst du aufs
College.“, während es in einer armen Familie eher lautet: “Niemand in
unserer Familie war je auf dem College.“ Zweitens gibt es natürlich
immer noch Rassismus. Wenn es aber African Americans gibt, wenn es Arme
unabhängig von Hautfarbe und Herkunft gibt, die Trump unterstützen,
bedeutet das doch auch, dass Klassismus noch allgegenwärtig ist und zu
wenig dafür getan wird, damit die Kinder der Armen und Ärmeren die
gleichen Chancen haben. Das ist nicht anders in Deutschland oder in
anderen Teilen der Welt. Das ist überall gleich. Geld regiert die Welt
nun mal. Die Ansichten der Trump-Unterstützerin lassen sich gut auf
Deutschland übertragen. Nicht jeder hat Geld, nicht jeder hat Eltern die
Geld haben, nicht jeder hat ein Elternhaus, das Wert auf Bildung legt,
nicht jeder entwickelt Eigenverantwortung und Ehrgeiz ohne Unterstützung
und nur weil man in Deutschland geboren und/oder aufgewachsen ist,
heißt das nicht, dass man die gleichen Chancen hatte wie jemand, der aus
einem guten Elternhaus kommt. Das hat sich gut bei der
“Flüchtlings-Debatte“ gezeigt, wenn die “Guten‘ ganz laut schreien, dass
dich die “Chantals und Kevins“ und “Ossis“ mal nicht so anstellen
sollen. “Die hätten sich ja vielleicht in der Schule mehr anstregen
sollen ha ha.“ Das ist vielleicht nicht so einfach, wenn man nicht im
Einfamilienhaus mit Garten und Sportverein und Musikunterricht aufwächst
und stattdessen mit einem Vater, der Alkoholiker ist oder vielleicht
ist es die Mutter oder vielleicht muss man ins Heim. Was sind denn so
die gängigen Klischees, die man über Menschen hat, die im Plattenbau
wohnen und Hartz-IV beziehen? Hat mit 25 fünf Kinder, Vaterschaft nicht
bei allen Kindern geklärt, Kinder essen am Monatsende trockenes
Toastbrot, weil Chantal ihr Geld lieber für Zigaretten und Gelnägel
ausgibt. Dann soll aus diesen fünf Kindern etwas “Vernünftiges“ werden?
Die sollen dann auch so wie Malte, Marie, Jonathan, Luisa und Julia
etwas “Vernünftiges“ studieren und wenn “Kreativ“, dann bitte nicht
wilder als Geisteswissenschaften oder so etwas wie
Kommunikationswissenschaften. Damit bekommt man ja auch noch einen
vernünftigen Job und verdient gut und kann sich ein Auto leisten und
Urlaub und teuren Käse und teuren Schinken und Antipasti aus der
Feinkost-Abteilung und schöne Kleidung und Schmuck und all die Dinge,
die man eben so machen, besitzen sollte. Natürlich haben es die armen
Kinder viel schwerer und es ist leicht gesagt für Malte, Marie,
Jonathan, Luisa und Julia und die anderen. Auch Migrantenkinder mit
armen Eltern haben es schwerer. Die Eltern müssen ja nicht Chantal und
Kevin heißen. Die Eltern können auch ausländische Namen haben, aber die
Geschichte ist eine ähnliche, wenn nicht so viel Geld da ist. Diese
Menschen mit “Migrationshintergrund“ können genauso Angst haben vor zum
Beispiel Flüchtlingen. Wer arbeiten geht und 8,50 Euro die Stunde
bekommt, hat nun mal eher Angst, dass er bald vielleicht nur noch 7,00
Euro bekommt, weil jetzt junge, kräftige Männer mit Smartphones kommen
wie das in den Medien gezeigt wird. Jemand mit 12 Euro die Stunde und
mehr stört sich nicht daran, dass es etwas weniger sein könnte. Man hat
doch alles, was man braucht. Eine teure Jeans weniger ist doch kein
Weltuntergang, oder? Auf die Sorgen der Armen und der Arbeiter wird
nicht gehört. Stattdessen lässt man die Maltes, Maries, Jonathans,
Luisas und Julias plärren oder taxifahrende Journalisten, die in ihren
gentrifizierten Wohnungen ihren teuren Käse und Schinken essen und dazu
noch ein gutes Glas Wein und vielleicht noch ein netter Plausch mit den
Journalistenkollegen. Die reichen westlichen Länder sind nicht sozial
genug. Dass heute noch Kinder geboren werden, die nicht die gleichen
Chancen wie die Maltes, Maries, Jonathans, Luisas und Julias aus der
Vorstadt oder aus dem guten Viertel bekommen, angeboten bekommen,
ist eine ganz große Ungerechtigkeit, denn diese Kinder brauchen eben
etwas mehr Unterstützung. Dass heute noch Kinder in Deutschland, Kinder
mit deutschen Eltern, arme Kinder mit ausländischen Eltern, arme Kinder
mit ausländischen Wurzeln in zweiter und dritter usw. Generation noch
hungrig in die Schule gehen und kein Frühstück oder Mitagessen bekommen,
dass es keinen freien Nachhilfe-Unterricht flächendeckend in
Deutschland gibt, dass es nicht in jeder Stadt, in jeder Kleinstadt,
kostenlose Freizeitangebote nach der Schule gibt wie Jugendclubs oder
kostenlose Sportangebote, ist eine ganz große Ungerechtigkeit.
Deutschland hat es versäumt sich genügend um die Armen zu kümmern, um
die Abgehängeten. Das zeigt die Ignoranz der meisten Politiker
auf. Jetzt räumen die Politiker zumindest bei den Flüchtlingen “Fehler“
ein. Man hätte ja das und das ja so machen können… vielleicht… ja, das
wäre schon besser gewesen. Was einem jeder sagen kann, der nicht völlig
verbödet ist, geben sie jetzt zu. Wie großzügig von ihnen. “Ja, als die
Italiener und Griechen uns um Hilfe baten, ja, da hätten wir ihnen
vielleicht helfen und nicht sagen sollen, dass ihr das schon alleine
schafft hi hi und dass euer Problem ist und ja, das war schon nicht so
gut, dass wir dann, als die Flüchtlinge zu uns kamen, gesagt haben, dass
die Osteuropäer voll böse sind, weil sie gesagt haben, dass wir das
schon schaffen und das unser Problem ist, aber bei westlichen Nationen
oder bei den reichen Arabern, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen,
haben wir nichts gesagt. Nein, heuchlerisch ist das keinesfalls. Wir
haben das doch nicht gewusst. Wir haben doch nichts davon gewust lautet
das altbekannte Credo in der Nichtwisser-Nation-Deutschland. Ja, wäre
schon irgendwie besser gewesen, wenn wir mehr Geld an Flüchtlings-Camps
in der Nähe der Krisengebiete gezahlt hätten statt es zu streichen, aber
es konnte ja keiner ahnen, dass die dann alle zu uns kommen. Keiner
hätte das ahnen können. Ich mein, das ist ja voll weit weg und so. Dass
die Südeuropäer uns gewarnt und um Hilfe gebeten haben und wir das
ignoriert haben ha ha, jeder macht mal Fehler, oder? Ich bekomme ja auch
nur tausende von Euros an Diäten und eine saftige Pension dafür, dass
ich meine Arbeit eher schlecht als recht mache, aber der Wahlkampf ist
auch stressig genug. Da muss ich mich dann ja erst mal von ausruhen und
so. Ich kann ja gar nicht oft genug in mein Ferienhaus fahren wie ich
das gerne hätte. Wir Politiker leben ja auch nicht nur wie die Made im
Speck. Falls Sie aber mal eine Empfehlung für einen ganz ausgezeichneten
italienischen Speck haben wollen- in der Nähe unserer Ferienhauses gibt
es einen Schweinezüchter. Ganz hervorrangender Speck. Ganz
hervorragend. Wo war ich stehen geblieben?“ Kompetent Politik machen
geht anders.
Den armen Kindern und Migrantenkindern
sagt man, dass sie ja hätten Karriere machen können. Warum haben Sie
nichts Vernünftiges gelernt? Das sagt man seit der “Flüchtlingskrise“.
Viele haben. Viele haben “vernünftige“ Jobs. Viele verdienen ganz gut.
Was mir die “Flüchtlingskrise“ aber auch gezeigt hat – Deutschland ist
eine “Leistungsgesellschaft“. Deutschland und andere Industrie-Nationen.
Noch mehr als gedacht. Karierre, eine schöne Wohnung, am besten ein
Eigenheim, Autos oder vielleicht kein Auto für den progressiven
Großstädter, der Taxi fährt und mal U-Bahn, wenn es sein muss und ein
netter Urlaub und schöne Kleidung- das gehört dazu. Das ist ein Muss.
Wer das nicht erreicht hat, muss ja ein Versager sein? Irgendetwas
stimmt da nicht, denn Karriere ist doch so wichtig? Das ist doch Selbstverwirklichung? Dadurch bekommt man Anerkennung.
Dadurch setzt man sich von den anderen ab, denn da ist doch immer
Konkurrenz: Wer hat mehr, wer verdient mehr, wer ist erfolgreicher,
schöner, schlanker oder durchtrainierter, jünger und erfolgreicher, hat
das besser ausgestattete, teurere Auto, das bessere Smartphone, die
größere Wohnung im durchgentrifiziertem “In-Viertel“, fährt in den
exklusiveren Urlaub und lädt die imposanteren Bilder von seinem Urlaub
bei den Social Media mit dem besseren Filter hoch und dann stachelt man
sich gegenseitig an, ist neidisch, weil Malte schon wieder auf den
Malediven war und man selbst nur in Europa. Wie peinlich! Oh nein! Der
nächste Urlaub muss aber ein bisschen mehr hermachen, damit man ihn
online für seine Peergroup besser präsentieren kann oder am besten kauft
man sich etwas ganz Teures, jetzt sofort, und postet das online und
dann ist alles gut. Außerdem ist man selbst doch schlanker als Maltes
Freundin. Die sieht im Bikini schon etwas speckig aus und man selbst ist
schön schlank, der teure Detoxtea lohnt sich also, und Jonathan hat
auch den besseren Job als Malte und ist somit die bessere Partie. Alles
gut. Alles wieder gut. Morgen wird man den Chef um eine Gehaltserhöhung
bieten.
Ich brauche keine Karriere oder Statussymbole. Es ist mir egal, was die Erfolgreichen
über mich denken. Ich möchte mich nicht mit dem Chef gut stellen, weil
das karriereförderlich ist. Ich möchte ihm sagen können, dass er oder
sie ein Idiot ist, wenn ich das denke, und dann soll er mir fristlos
kündigen oder ich kündige und dann gibt es eben für den Rest des Monats
weniger zu essen, bis ich etwas Neues habe. Ich brauche nicht viel Geld.
Ich brauche ein bisschen und ein Dach über dem Kopf und ein Bett oder
eine Matratze auf dem Boden und Platz für meine Bücher, meine neuen und
gebrauchten Bücher, und ich möchte nicht zu viel arbeiten, weil ich mich
lieber mit anderen Dingen beschäftige. Ich möchte Gedichte lesen oder
Bücher, Musik hören. Ich möchte mit Obdachlosen am Bahnhof billiges Bier
trinken und mit Punks “Fick das System“ schreien, ich möchte viel
Freiheit und Freizeit, ich möchte mich nicht für einen Betrieb aufopfern
und mich hocharbeiten müssen und irgendjemand ist neidisch auf mich und
gibt sich jetzt doppelt so viel Mühe und ist beim Chef doppelt so
charmant. Nein, ich möchte lieber im Park sitzen und Wein trinken. Ich
möchte mich nicht mit meinen langweiligen Arbeitskollegen über ihre
Wohnung und ihr Auto und ihre teure Kleidung und ihren Urlaub und ihr
Burn-Out und Stress und auf wen neidisch sind und die Generation Y und
langweilige Bücher und Artikel unterhalten und warum sie Hippies hassen,
die Freiwilligenarbeit in Afrika machen und warum Fair-Trade ein Mythos
ist – oder man hat sich damt einfach noch nicht beschäftigt: “Keine
Zeit“ und hat sich auch nie Gedanken über sein Konsumverhalten gemacht
und kauft und kauft und kauft, denn man hat es ja. Man kauft. Warenfetischismus.
Das ist eben so. Ich aber möchte nicht ständig kaufen, kaufen, kaufen.
Ich möchte nicht in skrupellosen, profitgierigen Konzernen ausgebeutet
werden und dafür sorgen, dass andere, noch Ärmere, noch mehr als ohnehin
schon ausgebeutet werden. Ich möchte nicht an gläserene Decken stoßen.
Ich möchte herumhängen und tagträumen. Ich möchte ein Slacker ein. Ich
bin ein Slacker. Ich bin ein Faultier in Menschenform und das ist auch
gut so. Ich bin Peter Pan 2.0 und will nicht erwachsen werden. Ich übe
mich in Arbeitsverweigerung – so gut wie es geht, denn ohne geht’s ja
leider auch nicht. Ein bisschen Essen, eine Bleibe und hin und wieder
mal eine Reise oder ein gutes Buch oder 60 Euro für die BVG oder sonst
so – das reicht. Ich brauche keinen Speck, ich möchte keinen.
(Ich weiß: Wenn man Kinder hat, kann man sich das dann schon wieder nicht erlauben.)
Ich bin dafür den Armen und Bedürftigen zu helfen, Flüchtlingen zu helfen und allen anderen und dafür, dass unsere Gesellschaft sozialer wird und bin für Slackertum für jeden, der ein Slacker sein möchte. Ich bin nicht Generation Produktiv. Ich bin Generation Ausschlafen. Ich bin Generation Verträumt, Generation knapp bei Kasse, aber wir können uns gerne vormittags unter der Woche im Park treffen und spazieren gehen. Ich bin Generation von der Hand in den Mund und arbeiten, damit man gerade so über die Runden kommt und nicht hungern muss. Nicht Generation Y, ich bin Generation Nap und eigentlich mag ich auch gar keine Texte über Generationen, aber ich lese sie dann ja doch.
Was mache ich nur mit meiner politischen Verdrossenheit? Das weiß ich leider nicht.
Ich bin dafür den Armen und Bedürftigen zu helfen, Flüchtlingen zu helfen und allen anderen und dafür, dass unsere Gesellschaft sozialer wird und bin für Slackertum für jeden, der ein Slacker sein möchte. Ich bin nicht Generation Produktiv. Ich bin Generation Ausschlafen. Ich bin Generation Verträumt, Generation knapp bei Kasse, aber wir können uns gerne vormittags unter der Woche im Park treffen und spazieren gehen. Ich bin Generation von der Hand in den Mund und arbeiten, damit man gerade so über die Runden kommt und nicht hungern muss. Nicht Generation Y, ich bin Generation Nap und eigentlich mag ich auch gar keine Texte über Generationen, aber ich lese sie dann ja doch.
Was mache ich nur mit meiner politischen Verdrossenheit? Das weiß ich leider nicht.
Möchte man Protestwähler sein oder werden, weil man niemand mehr für
wählbar hält – bitte nicht AfD wählen. Es gibt immer noch Alternativen.
Es gibt unzählige Kleinparteien in Deutschland. Oder zur Not “Die
Partei“. Ich habe mir schon die Grauen Panther und Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz ausgesucht.